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Watain

Watain

Von Niklas Göransson
Ins Deutsche übersetzt von Niklas Thiele

Das schwedische Black Metal-Trio Watain meldet sich mit einem neuen Album zurück. Frontmann Erik Danielsson berichtet über Zensur und Konzertabsagen, Burnout-Genesung und über den Untergrund, aus dem sie selbst entsprangen und der sie nun anprangert.

„Trident Wolf Eclipse“ umfasst acht Lieder und ist unser bisher kürzestes und sicherlich auch prägnantestes Album.  Aus allen Tiefen, die wir unseren vergangenen Werken ergründet haben, bietet dieses Werk unser bisher stärkstes und wichtigstes Material.

Das sechste Full-Length-Album von WATAIN wurde in den vier Jahren geschrieben, die seit „The Wild Hunt“ aus dem August 2013 verstrichen sind.

– Das scheint recht lang, es muss allerdings auch die Zeit berücksichtigt werden, die wir aufgebracht haben, um die lodernden Feuer von WATAIN über diese Jahre hinweg zu schüren. Daher haben wir in unserem eigenen Tempo begonnen und letztendlich unseren 3-Jahres-Zyklus durchbrochen – was sich gut angefühlt hat, wie es das Aufbrechen sämtlicher Muster im Endeffekt an sich hat.

Obwohl ihre neue Klanglandschaft mit einigen Überraschungen aufwartet, so etwa unterschiedliche eigentümlich orchestral anmutenden Verrücktheiten, fällt auf, dass die bombastischen Elemente wie im Titelsong von „The Wild Hunt“ sowie Erik‘s Clean-Stimme – wie etwa in „They Rode On“ – fehlen. Mir fiel auf, dass letzteres Stück die Rangliste von WATAIN auf Spotify und Last.fm anführt, daher hätte zweifelsohne Nachfrage bestanden. Bei den Hörern ist es allerdings auch das am meisten polarisierende Stück.

– Wie die Leute mittlerweile sicherlich festgestellt haben, scheuen wir uns nicht, große Sprünge zu wagen und neue Untiefen zu erkunden – „Trident Wolf Eclipse“ ist ein weiterer Beweis dafür, auch wenn es genau in die gegensätzliche Richtung von „They Rode On“ geht. Ich würde jedoch nicht sagen, dass das Album vollständig frei von epischen und erhabenen Momenten ist. Für mich schöpfen Parts von „Teufelsreich“ sowie das gesamte „The Fire of Power“ aus derselben Quelle wie oben genanntes Stück. In der Tat ist das Album im Großen und Ganzen sicherlich anders. Wir haben niemals absichtlich Brücken zwischen unseren Alben gebaut, jedes von ihnen sollte als eigenständiger Monolith mit seiner ganz eigenen Geschichte dastehen.

War diesmal jeder am Schaffensprozess beteiligt?

– Ja. Obwohl ich viele Teile der Musik geschrieben habe, war es Pelle, der das Album in Bezug auf die Atmosphäre und die allgemeine Herangehensweise am meisten mitgestaltet hat. Auch Håkan hat wie immer Material geschrieben, darunter einen Song, den ich als einen der zentralsten auf dem Album ansehe: „Towards the Sanctuary“.

Obwohl Håkan auf dem Album zu hören ist, ist er aktuell nicht Teil der Live-Besetzung von WATAIN und dies seit einer ganzen Weile schon nicht mehr. An seiner Stelle haben sie einen weiteren in Uppsala Ansässigen rekrutiert: Emil Svensson von DEGIAL.

– Es ist eigentlich ganz einfach: Håkan hat das Gefühl, mit dem Touren durch zu sein, zumindest vorläufig. Abgesehen davon, dass er nicht mehr live mitspielt, hat er bei WATAIN dieselbe Rolle wie sonst auch inne. Obwohl ich mich sehr wohl dabei fühle, die Welt zu bereisen, um Musik vor Menschen zu darzubieten, kann ich auch komplett nachvollziehen, dass man das Touren irgendwann satthat, wenn man es sein ganzes Leben lang getan hat. Wir alle respektieren seine Entscheidung und dies hat auch zu keinerlei Problemen geführt, da wir das Glück hatten, dass Emil in seine Fußstapfen getreten ist. Emil nimmt seine Aufgabe sehr ernst und ist ein verfluchtes Tier am Schlagzeug.

Mein Interviewpartner war ursprünglich selbst Schlagzeuger. Soweit ich mich erinnern kann, hat Erik aus ähnlichem Grund als Teenager sein Elternhaus verlassen, um in einem Proberaum zusammen mit Dave Lepard zu wohnen. Lepard, der sich international vor allem mit seiner Sleaze Rock-Band CRASHDÏET einen Namen gemacht hat, ist ohne Zweifel eines der wildesten Individuen, die jemals in der schwedischen Metalszene unterwegs waren.  Er verstarb im Jahr 2006.

– Es war eine großartige Zeit, die ich jederzeit wieder durchleben wollen würde, wenn ich könnte. Dave war ein guter, wenn auch verrückter Mentor und ein echter Gegenpol zur Welt. Er hat mir viel darüber beigebracht, was es heißt, ein echter Rebell zu sein, anstatt nur einer sein zu wollen. Während der Jahre, die wir zusammen verbrachten, wurde er ein enger Freund aller Mitglieder von WATAIN und ich würde behaupten, dass er diese Band auch geprägt hat.

Stammt der Chorus von „Devil‘s Blood“ nicht aus dieser Zeit?

– Ja, den genialen Chorus, der ursprünglich für CRUCIFIRE gedacht war, eine Band, die wir für eine kurze Zeit hatten, hat Dave geschrieben. Es gibt so viele unglaubliche Geschichten über ihn. Leute wie ihn gab es selten. Er war einer dieser Menschen, deren kurzer Besuch auf Erden voller Ereignisse ist, für die ein Normalsterblicher hunderte von Jahren an Lebenserfahrung brauchen würde. Diese Menschen hinterlassen natürlich ihre Spuren.

Håkan Jonsson, Pelle Forsberg, Erik Danielsson. Photo: Sara Gewalt

 

Während es heutzutage immer häufiger an der Tagesordnung ist, Black Metal-Bands an Auftritten hindern zu wollen, hatte WATAIN hiermit schon vor mehr als einem Jahrzehnt zu kämpfen.  2007 wurde ich in einen E-Mail-Verkehr zwischen Erik und einem deutschen Festival-Promoter eingeweiht. Ich habe sie im Zuge der Vorbereitung auf dieses Interview aus dem Archiv gefischt.

Hail Eric!
Mir fehlen die Worte.
Gestern habe ich einen Anruf von der Polizei bekommen. Sie informierte mich, dass zwei Bands nicht auf dem Festival spielen können, nämlich ETERNITY und WATAIN.
Dies ist ziemlich beschissen, aber die Polizei meinte, dass sie das Konzert abbrechen würden, wenn eine der Bands spielt.
Ich werde zur Polizei gehen und ihnen sagen, dass ihr keine Naziband seid, wart und auch niemals sein werdet.
Dafür brauche ich ein Statement von euch, schickt es mir daher wenn möglich und so schnell es geht per Fax oder E-Mail.
Ich hoffe, die Genehmigung dafür zu bekommen, dass ihr doch spielen könnt.

Die Antwort fiel dann wie folgt aus:

Hier ist unser Statement:
„FUCK OFF! Letztes Jahr waren wir auf Tour in Europa, USA, Mexiko und Südamerika und noch nie sind wir auf eine solche Feindseligkeit und einen solchen Widerwillen gestoßen wie im Drecksloch Deutschland. Warum zur Hölle glaubt ihr, dass uns der Nationalsozialismus am Herzen liegt, wenn wir euer lächerliches Land in Schutt und Asche legen wollen? Macht uns nicht für die Fehler eurer Großeltern verantwortlich, wir pissen auf ihre Gräber! Heil Stalin!“
Bitteschön.

Das witzigste an diesem Statement ist, dass es tatsächlich gefruchtet hat und WATAIN die Erlaubnis bekam, zu spielen. Vielleicht kann man hieraus etwa lernen.

– Haha! Wir mussten über die Jahre hinweg einige dieser Statements schreiben und ich gehe davon aus, dass wir dies auch in Zukunft tun müssen… Diese Idioten müssen öffentlich für ihre Angst und Dummheit an den Pranger gestellt werden, das ist der Preis, den man zahlt, wenn man andere Leute wie uns willkürlich irgendwelchen Unsinns bezichtigt, vor dem sie Angst haben. Ich muss jedoch zugeben, dass diese ganze Antifa-Geschichte, die in letzter Zeit ein großes Thema in der Black Metal-Szene ist, nicht nur negative Seiten an sich hat. Immerhin treibt sie alles auf die Spitze und viele sind dazu gezwungen, Entscheidungen zu treffen, deutlich Stellung zu beziehen und viele von ihnen stellen dabei fest, dass sie nicht die harten Kerle sind, die sie gern sein würden.

Welchen Vorteil hat das Ganze?

– Die Leute stellen fest, dass sie nicht am Ende der Nahrungskette stehen, was jedem eine gute Lektion sein kann, der bereit ist, dazuzulernen. Schade allerdings, dass dies alles auf den wahnhaften Anschuldigungen vegetarischer Hexenjäger beruht und es dabei um Themen geht, die genauso ermüdend und langweilig sind wie verbotene politische Meinungen. Intoleranz gegenüber Intoleranz, oder wie? Ha! Ihr werdet alle im Abgrund enden….

Es ist jedoch anzumerken, dass nicht sämtliche Ausladungen politisch motiviert sind.  Auf dem Sweden Rock Festival 2011 lief ich Erik über den Weg, als er den völlig verkaterten Pelle per Telefon über ein Gespräch informierte, das gerade zwischen ihm und deren doch etwas aufgeregtem Manager stattgefunden hatte. Der Manager hatte angekündigt, dass sie sowohl von ihrer Bookingagentur RTN-Touring gefeuert als auch von mehreren geplanten Sommerfestivals ausgeladen worden sind. Soweit ich mich richtig entsinne, beruhte das Ganze auf einer Eskapade in Deutschland, als ein Promoter aufgrund von Bedenken hinsichtlich der Pyrotechnik die Show absagte, woraufhin ein Handgemenge mit der Security des Clubs entstand und WATAIN letztendlich in einer Pressemitteilung dazu aufforderte, den entsprechenden Austragungsort in Schutt und Asche zu legen.

– Ja, da hast du mehr oder weniger recht. Hier die Kurzversion: Wir waren auf einer dreitägigen Tour durch Deutschland, Österreich und die Schweiz, während der einige kleine Zwischenfälle passierten – die von den ängstlichen und prüden Konzertveranstaltern vollständig übertrieben dargestellt wurden, wenn du mich fragst. Hier ein Feuer, dort ein Faustkampf, eine abgesagte Show und plötzlich heulen die Leute rum und sind wegen der Tatsachen an sich völlig erschrocken.  Es wäre nicht das erste Mal, dass uns so ein peinliches Rumgeheule zu Ohren käme, und es wird auch sicher nicht das letzte Mal sein.

Die Aufregung am Sweden Rock-Wochenende gipfelte darin, dass Erik früh morgens mit dem Co-Veranstalter eines deutschen Festivals in eine Handgreiflichkeit verwickelt war, der deren Auftritt früher am selben Tag abgesagt hatte. Zur großen Verwunderung des betroffenen Herrn wurden WATAIN nachher wieder für dasselbe Festival ins Billing genommen, nachdem Beschwerden seitens der Leute eingingen, die bereits ein Ticket hatten.

– Genau wie das Festival sahen RTN den Fehler ein, uns rauszuwerfen, und wir arbeiten bis heute mit ihnen zusammen.

Man könnte meinen, dass Erik ein Herz für Promoter hat, die sich mit dem ganzen Black Metal-Chaos herumschlagen müssen, da er selbst mal in ähnlicher Position war. Ich hörte erstmals von Erik Danielsson im Jahr 1999, als er ein Konzert in Uppsala mit MALIGN und DARK FUNERAL organisierte. Diese grandiose Zusammenkunft der abstoßendsten Charaktere der aktuellen schwedischen Szene sorgte für einen glorreichen Old-School-Metal-Chaosabend.

– Eine geniale Nacht! Fantastisches Stimmung, Anspannung und Leidenschaft, plötzliche Gewaltausbrüche, ein Publikum, das in dieser oder jener Form bewaffnet war, tiefempfundene Boshaftigkeit…der totale Black Metal! Es ist unmöglich, dieser Atmosphäre mit Worten gerecht zu werden. Ich weiß nicht, ob es die Nostalgie ist, aber ich hatte das Gefühl, dass es damals oft so war bei Black & Death Metal-Gigs in Schweden. Es fühlt sich komisch an, das Wort „damals“ zu nutzen, aber ich gehe davon aus, dass man die späten Neunziger so nennen kann!?

Dem würde ich angesichts der Tatsache zustimmen, dass diese Zeit zwei Jahrzehnte her ist und ich mittlerweile viele Haare gelassen habe.

– Das letzte Mal, bei dem ich eine ähnliche Atmosphäre miterlebt habe, war in Frankreich in der Black Legions-Burg bei Nîmes, als wir erstmals MÜTIILATION und DEATHSPELL OMEGA getroffen haben. Und auch auf der gesamten DISSECTION-Tour 2004. Wenn ich es mir recht überlege, kommt das eigentlich auch heute hier und da noch vor, aber sicherlich nicht mehr so häufig wie vor zwanzig Jahren.

Watain – „Trident Wolf Eclipse“.

 

Während einer Tour in Südamerika 2010 fühlte sich Erik von heute auf morgen zunehmend angeschlagener, bis er dann letztendlich bei einer Show in Santiago, der Hauptstadt von Chile, nach drei Songs zusammenbrach. Es folgte ein nervenaufreibender Tag voller Tests im Krankenhaus von São Paulo, tags drauf wurde bei ihm ein Burnout diagnostiziert.

– Nach drei Monaten durchgängigem Touren im Zuge der Veröffentlichung von „Lawless Darkness“ war ich sowohl seelisch als auch körperlich ausgebrannt. Vielleicht auch nicht so verwunderlich. Das Konzert nicht bis zum Ende durchziehen zu können, war verflucht ärgerlich, aber an dieser Tatsache konnten wir leider nichts ändern.

Der Konzertabbruch an sich war dann der Auslöser für das Unheil, das folgte.

– An diesem Abend wurden achtzehn Menschen mit einem Messer angegriffen, kurz nachdem ich von der Bühne gegangen war. Der Messerstecher war ein junger WATAIN-Fan, der – soweit mir gesagt wurde – speziell für diesen Anlass eine Klinge geschmiedet hatte. Also mussten die Sanitäter, die mich im Backstage-Bereich behandelten, nach vorne laufen und den Verwundeten helfen, während ich auf einer Bahre lag und darauf wartete, irgendwo in einem Vorort von Santiago zu sterben. Was eine Nacht!

Soweit ich es verstanden habe, ist ein Burnout eher schwierig zu überwinden und erfordert mehr als einfach nur Entspannung.

– Die Genesung war langwierig, aber – wie auch die harte Erfahrung selbst – von hoher Bedeutung und hat mich persönlich weiterbracht und meinen Geist gestärkt. Die Art, mit der wir mit WATAIN auftreten, fordert ihren Tribut. Egal, wie erfüllend und überweltlich diese Erfahrung ist – man bezahlt einen Preis dafür, und ich habe da einen Teil meiner Schulden beglichen. Heute nehme ich mein körperliches und geistiges Training sehr ernst, um mich zu befähigen und zu entspannen und Erfahrungen intensiver erleben zu können.

Photo: Metalion

 

Da WATAIN länger als die meisten größeren Black Metal-Bands dabei ist, scheinen sie nun endgültig den Punkt erreicht zu haben, an dem sie gänzlich aus der Kategorie herausfallen, die traditionell als Untergrund bezeichnet wird. Jedenfalls könnte man das meinen, wenn man sich die Foren und Kommentarspalten durchliest.

– Ich war immer skeptisch gegenüber diesen Foren; Full Moon Productions, Krieg und der ganze Scheiß. Ich war oft dort unterwegs, als sie erstmals auftauchten – hauptsächlich, um mich über neue Veröffentlichungen auf dem Laufenden zu halten, die plötzlich erschienen, als der Untergrund digital wurde. Nach einer Weile habe ich jedoch festgestellt, dass 95 % der Inhalte nichts als zeitraubender uninteressanter Mist waren. Zu dieser Zeit war die Hälfte der Leute, die ihre armseligen Tagen in den aktuellen Foren verbringen, noch Jahre davon entfernt, auf YouTube nach NECROVORE zu suchen.

Ich bin neugierig, ob der zwanzig Jahre alte Erik Danielsson mit seinem damaligen Black Metal-Hintergrund ein Fan der aktuellen WATAIN-Sachen gewesen wäre.

– Soweit ich mich erinnern kann, habe ich mich zu Bands hingezogen gefühlt, die Aufrichtigkeit, Gesundheit und Integrität ausstrahlen – alles fundamentale Eigenschaften von WATAIN. Daher gehe ich nicht davon aus, dass ich die Band als Zwanzigjähriger verschmäht hätte. Um ehrlich zu sein, spiegelt WATAIN in großen Teilen all das wieder, was wir damals vermisst haben und wurde von den Anfangstagen an anhand unserer eigenen speziellen Auffassung darüber gestaltet, wie eine Black Metal-Band sein sollte. Obwohl ich in vielen Bereichen meines Lebens starke Fortschritte gemacht habe, sind mir diese Philosophien über die Jahre hinweg erhalten geblieben.

Stört es dich eigentlich gar nicht, mit Bands wie CRADLE OF FILTH in einen Topf geworfen zu werden, da ihr aus demselben Milieu kommt?

– Was diese Leute über WATAIN und unsere zwanzigjährige Karriere denken, ist mir herzlich egal, es sei denn, dass es etwas Positives ist. Es wäre dumm von mir, mich um die Meinungen der Herde zu scheren – die übrigens noch lächerlicher erscheinen, da keiner von diesen Leuten sich trauen würde, uns persönlich zu konfrontieren. So verhalten sich Insekten nunmal seit jeher; sie zirpen den ganzen Tag lang und sobald man dran vorbeiläuft, halten sie die Fresse.

Dies ist ein Auszug des vollständigen Artikels, der ungefähr doppelt so lang ist und in der 3. Ausgabe von Bardo Methodology veröffentlicht wird.